Ich machs einfach
Ich habe kürzlich ein riskantes Lebensmanöver durchgeführt und das brachte viel Erkenntnis mit sich. Außerdem: hire me!
Eigentlich bin ich ein sehr sicherheitsliebender Mensch. Zumindest sage ich mir das immer, auch wenn meine Lebensentscheidungen von Zeit zu Zeit anderes vermuten lassen. Ich habe mich manchmal in Situationen wiedergefunden, wo ich mir aus unerklärlichen Gründen gedacht habe “Scheiß drauf, fortune favors the bold”. Es ist quasi mein delulu-Gen, wie die Kids sagen würden. Nicht immer hat mir diese Herangehensweise das besagte fortune gebracht, aber generell habe ich das Gefühl, dass oft Gutes passiert ist, wenn ich gesagt habe “Ach, ich frage einfach mal”.
Meine Kindheit und Jugend war nicht geprägt von finanzieller Sicherheit, was per se erstmal nicht schön ist. Und für mich war das als Kind auch oft schwierig und als Teenager habe ich mir natürlich ab und zu gewünscht, dass es anders wäre. Im Nachhinein - ohne das Ganze zu romantisieren - bin ich aber gleichzeitig froh, dass ich diese Erfahrungen gemacht habe. Es hat mir eine Attitüde von “Irgendwie wird es schon gehen” beigebracht. Auch wenn diese Attitüde nur einen kleinen Teil meines Gehirn beansprucht und sonst ein Klima der Nicht-Veränderung und Sicherheit herrscht, manchmal kommt man in Situationen, da schreit dieser kleine Teil im Gehirn lauter als alle Anderen.
Kürzlich stand ich nun vor der Gewissheit, dass ich mich beruflich umorientieren muss. Das hat verschiedene Gründe, die um ehrlich zu sein auch total egal sind und ich war auch in Teilen froh, dass mein Arbeitsvertrag nicht verlängert wurde, trotzdem stellt es einen erstmal vor Ungewissheit. Ungewissheit ist etwas, womit ich schlecht klarkomme, weshalb ich ab dem Zeitpunkt, wo ich davon wusste manisch jede Sekunde damit verbracht habe, neue Jobs und Chancen an Land zu ziehen (mit mäßigem Erfolg).
Ende vom Lied: Ich bin jetzt Freiberufler/Selbstständiger/Freelancer/jeder andere Begriff, der dafür verwendet wird.
Langfristig war das immer mein Plan gewesen, aber naja, sofort jetzt nicht unbedingt. Jetzt hat es sich so ergeben und abgesehen von dem konstanten, existenziellen, finanziellen und bürokratischen Stress, den das Ganze wohl gerade in der Anfangszeit umgibt, bin ich sehr glücklich damit. Allein nicht die Verpflichtung zu haben jeden Tag zur gleichen Zeit irgendwo aufschlagen zu müssen, gibt mir ganz viel Seelenruhe. Klar, man merkt auch direkt Schattenseiten, beispielsweise, wenn man ein Kratzen im Hals spürt und direkt denkt “Oh man, das kann ich mir eigentlich nicht erlauben, dann verdiene ich gar kein Geld”.
Aber ich habe auch schon viel gelernt in der kurzen Zeit. Zugegeben - das sind hauptsächlich bürokratische, steuerliche und organisatorische Sachen, für die ich mich null interessiere und von denen ich nie gedacht hätte, dass ich sie mal lernen muss, ABER ich habe sie gelernt.
Am Schwierigsten waren für mich ehrlich gesagt die Reaktionen aus dem Umfeld. So richtig supportive sind die Wenigsten. Viele reagieren neutral und sagen sowas wie “Ja, das klingt doch erstmal ganz gut” - ein Satzgebilde, das Zuspruch vermittelt, aber auch tiefe Skepsis in sich trägt. Manche schleudern einem auch einfach alle Risiken entgegen, die diese Entscheidung mit sich bringt, als würde man sich nicht selber bereits jeden Abend den Kopf darüber zerbrechen und als hätte man diese Dinge noch nie in Erwägung gezogen. Ich verstehe das auch, weil man natürlich möchte, dass es Freunden/Familie gut geht und sie finanziell abgesichert sind, aber dennoch ist es in großen Teilen kein schönes Gefühl mit Leuten darüber reden zu müssen, “was man denn jetzt so macht”.
Ich schaue dennoch positiv in die Zukunft und denke mir “Ich machs einfach”. Selbst, wenn ich demnächst wieder in einem festen Angestelltenverhältnis sein sollte, weil es gar nicht funktioniert hat, dann habe ich es wenigstens versucht. Irgendwie wird es schon gehen. Fortune favors the bold und so.
Momentan hat es auch den schönen Nebeneffekt, dass ich mehr Zeit für Herzensprojekte wie diesen Substack oder meine Social Kanäle habe und das gefällt mir sehr gut.
PS: Feel free to hire me, wenn du jemanden suchst, der journalistisch ausgebildet ist, gerne schreibt, sich mit Büchern auskennt und mäßig erfolgreich auf Social Media ist (buchniklas@outlook.de)
Herzlichen Glückwunsch! Ich habe den Schritt vor mehr als 20 Jahren gewagt, und auch wenn es immer wieder schlaflose Nächte gab (und gibt), würde ich es immer wieder tun. Selbstständigkeit heißt für mich vor allem, dass ich mein Leben nach meinen Vorstellungen gestalten kann. Aber auch muss! Das bringt viel Freiheit, kann aber auch ganz schön anstrengend sein. Ich wünsche dir viele tolle Kunden, interessante Aufträge und vor allem Durchhaltevermögen!
Ich kann das so nachvollziehen und erkenne Parallelen in meinem Lebenslauf.
Ich bin in der DDR aufgewachsen. Das Leben war nicht üppig, aber ziemlich sicher. Arbeitslosigkeit gab es ja nicht.
Dann mit 20 und gerade begonnenem Studium die Wende-Erfahrung. Was ist, wenn ich danach keinen Job bekomme?
Ich habe berufsmäßig immer auf Nummer sicher gesetzt und war auch die meiste Zeit eine zufriedene Angestellte.
Dann hat ein größerer Wettbewerber das Unternehmen gekauft, in dem ich durchaus bis zur Rente gearbeitet hätte. Die Abfindung nach 10 Jahren war ordentlich.
Also habe ich allen Mut zusammengenommen und aus den 15 Jahren nebenberuflich entspannter Selbständigkeit eine Vollzeit-Selbständigkeit gemacht. Ich hatte noch ganz lange den Rettungsanker im Gehirn: Wenn's nicht klappt, suchst Du Dir eben wieder einen Job.
Nun ja, nach 10 Jahren Vollzeit-Selbständigkeit bin ich wohl für immer verdorben fürs Angestellten-Dasein.
Aber es war schon eine mentale Achterbahnfahrt.