Was ich im Juli gelesen habe
Wie immer: zwei Bücher habe ich letzten Monat gelesen. Bei beiden hatte ich sehr hohe Erwartungen. Außerdem wird es Mau (kleiner Witz).
Paul Lynch - Prophet Song
Dieses Buch wurde mit dem Booker Prize 2023 ausgezeichnet und war seitdem auf meinem Radar. Nun war ich letztens in einer kleinen Leseflaute (mal wieder - vielleicht ist es gar keine Flaute, sondern einfach nur mein Tempo) und habe mich hinreißen lassen, als ich im Buchladen die englische Originalausgabe sah. Lustigerweise war es das Buch, das mein Buchkaufverbot ausgelöst hat.
Scherzhaft habe ich “Prophet Song” von Paul Lynch in einigen Videos das “moderne 1984” genannt. Zwar ist da bestimmt auch was dran, aber es wird diesem Buch nicht gerecht, wenn man es auf diesen einen - teils echt abgenudelten - Aspekt der Dystopie beschränkt. Dazu kommt, dass ich gar nicht genau weiß, ob die Szenarien, die man hier als dystopisch beschreiben würde überhaupt noch jenes sind oder, ob sie in vielen Ländern mit diktatorischen Zügen Realität sind.
Wir befinden uns in Irland und folgen Eilish. Sie ist Wissenschaftlerin, Frau und Mutter. Sie liebt ihren Job und ihre vier Kinder, ihr Mann ist Gewerkschafter. Bereits am Anfang des Buches wird klar, dass ihr Mann in Gefahr ist, da es das irische Regime auf Gewerkschafter abgesehen hat und immer öfter Leute verschwinden. So auch Eilishs Mann - von einer routinemäßigen Befragung kommt er nicht mehr heim. Nun begleiten wir Eilish dabei, ihren Mann ausfindig zu machen, gleichzeitig ihrem Job gerecht zu werden, ihre Kinder und kranken Vater zu versorgen, während man als nicht linientreue Person immer mehr zur persona non grata wird. Freunde, Nachbarn und Arbeitskollegen werden zu misstrauischen Spitzeln. Und dann bricht auch noch ein waschechter Bürgerkrieg aus, dem sich Eilishs ältester Sohn anschließen möchte.
So viel zur Handlung des Buches, ich möchte gar nicht zu viel verraten. Stattdessen sage ich lieber: Tut euch einen Gefallen und lest dieses Buch! Auf den ersten Blick fällt es leicht es als dystopischen Thriller abzutun. Vielmehr glaube ich aber, dass Paul Lynch mit Prophet Song die Realität vieler Geflüchteter hier in eine eurozentrische Perspektive gerückt hat. Die Sachen, die einem in diesem Buch die Tränen in die Augen treiben, existieren wirklich und sind keineswegs fiktiv.
Neben Orwell als naheliegendem Vergleich, würde ich auch Kafka mit in den Raum werfen. Lynch beschreibt die bürokratische Willkür, die einen zur Weißglut treiben kann und als psychologisches Druckmittel genutzt wird gegen Leute, die sich gegen die Regierung stellen.
Ich habe es auf Englisch gelesen, die Sprache war manchmal echt schwierig, aber ich kann es absolut empfehlen. Es ist jetzt auch auf deutsch erscheinen, bei Klett-Cotta.
Benedict Wells - Die Geschichten in uns
Mit diesem Buch bin ich gerade fertig geworden. Ich habe mich sehr darauf gefreut und bin zwei Tage vor ET bereits in die Buchhandlung gerannt, um zu schauen, ob sie es vielleicht zufällig schon haben. Und zu meinem Glück stand es dort, bereit von mir gekauft zu werden.
Benedict Wells legt mit “Die Geschichten in uns” das erste Mal ein nicht fiktionales Buch vor. Stattdessen ist dieses Buch ein Ratgeber an alle Schreibenden und Personen, die daran interessiert sind, wie ein Roman überhaupt entsteht. Das geht von der Idee (der “Funke”) über zu Durchhaltevermögen bis hin zu technischen Sachen wie Plotting oder dem ganzen Drumherum aka wie man einen Verlag findet.
Ich war großer Fan von Stephen Kings “On Writing”, das man sehr schnell als Inspiration für dieses Buch von Wells identifizieren kann. Auch, weil er sehr schnell offenlegt, dass er Kings Buch während seiner Anfänge als Autor sehr ermutigend fand. So folgt Wells auch dem Muster, das King vorgelegt hat und erzählt im ersten Drittel des Buches über sich selbst. Darüber, wie er zum Schreiben gekommen ist, wie seine Familiensituation war und was für ein Kind/Teenager/junger Erwachsene er war. Benedict Wells hat bisher versucht seine Privatleben aus der Öffentlichkeit zu halten, legt hier aber Vieles offen, was ich sehr mutig fand. Auch räumt er mit dem Mythos auf, dass er aus einer wohlhabenden Familie stammen würde oder dass sein berühmter Cousin ihm doch bestimmt einen Buchdeal ergattert hätte. So sehr ich auch an den technischen Tipps von Wells interessiert war, hat mir dieser Teil des Buches doch am Besten gefallen, da ich mich total in ihm wiedergefunden habe.
Danach reißt Wells einmal den kompletten Entstehungsprozess eines Romans ab. Er schildert immer wieder die Schwierigkeiten, die er hatte an konkreten Beispielen etwa aus der Entstehung von "Vom Ende der Einsamkeit” oder “Hard Land” und gibt viel Trivia, das einem sehr gefallen wird, wenn man Fan von seinen Büchern ist. Später wird es teils sehr technisch. Ich muss sagen, da habe ich das ein oder andere Kapitel übersprungen, wenn ich das Gefühl hatte, dass es mich nicht sonderlich interessiert. Er nimmt aber viel Bezug auf andere Autoren, die Ratgeber zum Thema Schreiben geschrieben haben. Häufig zitiert wird dabei etwa Hemingway, George Saunders, Zadie Smith, uvm.
Insgesamt hat es mir sehr gut gefallen und ich glaube, dass “Die Geschichten in uns” nicht nur für angehende Autor*innen hilfreich ist, sondern auch Fans von Wells interessieren könnte, die mehr über ihn und seine Geschichten erfahren wollen. So offen hat er sich nämlich bisher nicht gezeigt. Mich hat es sehr inspiriert.
Und jetzt?
Zum Schluss möchte ich euch noch kurz erzählen, was ich denn aktuell gerade lese. Wie immer sind es mehrere auf einmal. Nicht, weil ich so ein produktiver Leser bin, vielmehr, weil ich gerade das nicht bin und mich immer sehr sprunghaft verhalte, von einem Buch zum nächsten hüpfe, je nachdem, wofür ich mich gerade interessiere.
Steffen Mau - Ungleich vereint: Warum der Osten anders bleibt (Suhrkamp): Ein Sachbuch über Ostdeutschland, das aus soziologischer Sicht mit vielen Vorurteilen und Mythen über “den Osten” aufräumt. Sehr empfehlenswert. Steffen Mau ist mein favourite Soziologie yapper.
Caroline O’Donoghue - Die Sache mit Rachel (Kiwi): War ein Rezensionsexemplar, das mir der Verlag zugeschickt hat. Ich habe schon von vielen Leuten (u.a. meiner Freundin) gehört, dass sie dieses Buch verschlungen und geliebt haben, aber ich werde irgendwie nicht so warm mit Rachel. Ich finde es nicht schlecht, sondern sogar auch unterhaltsam, es catcht mich einfach nicht so. Erinnert sehr an Dolly Alderton.
YouTube
Zu guter Letzt noch mein aktuelles YouTube Video. Es geht um Bücher, die ich cool finde.
Danke fürs Lesen! Hab euch lieb, bis zum nächsten Mal <3