Was ich im Mai gelesen habe
In diesem Monat habe ich zwei Bücher gelesen, doch beide konnte mich leider nicht kompromisslos überzeugen. Dennoch bin ich froh, dass ich sie gelesen habe.
Caroline Wahl - Windstärke 17
Ich habe meinen Monat mit dem zweiten Buch von Caroline Wahl begonnen. “Windstärke 17” ist der Nachfolger von Wahls unfassbar erfolgreichem Debütroman “22 Bahnen”, der 2023 etliche Preise gewonnen hat.
Umso erstaunlicher, dass sie kein Jahr später bereits ihr zweites Buch hinterherschickt. Und das ist auch noch ein richtiges Sequel zu “22 Bahnen”. Im Debütroman folgten wir Tilda, eine Studentin der Mathematik, die im Supermarkt jobbt und sich nebenbei um ihre kleine Schwester Ida kümmert. Die Mutter der beiden ist alkoholkrank und dementsprechend unzuverlässig und unberechenbar für die beiden Schwestern. Ist sie an einem Tag gut gelaunt und nüchtern, bereits sich von ihrem Laster zu lösen, liegt sie am nächsten Tag betrunken auf dem Sofa und schreit Belanglosigkeiten durch Das Haus. Wir sehen, wie Tilda ihre eigenen Träume und Bedürfnisse zurückstellt aus Schuldgefühlen vor ihrer kleinen Schwester, die sie nicht mit dieser Mutter Alleinlassen möchte. Im Laufe des Romans verliebt sie sich in den fast stummen Viktor, der selber eine bewegte Familiengeschichte hat und lernt ihr Leben zu navigieren - lernt, dass sie nicht bloß die große Schwester sein muss, die sich kümmert, dass sie auch andere Facetten ihres Lebens haben darf, die damit nichts zu tun haben.
Ich war dementsprechend gespannt auf “Windstärke 17” und habe vom Dumont Verlag freundlicherweise ein Rezensionsexemplar bekommen. Caroline Wahl macht wieder vieles richtig am Anfang des Buches - wirft die richtigen Fragen und Andeutungen in den Raum, schmeißt die Leser*innen ins kalte Wasser und konfrontiert sie mit der erwachsenen Ida, die nun die Erzählerin der/ihrer Geschichte ist.
Doch schnell musste ich mir eingestehen: Ida und ich werden keine Freunde. Wo Tilda als Erzählerin noch glänzte, ließ Ida mich hängen. Ida trauert und ist verletzt, hat Schuldgefühle und ist sauer. Sauer auf ihre Schwester, dass die sie mit der Mutter allein gelassen hat, wie Tilda es immer befürchtete. Gleichzeitig fühlt sie sich schuldig, dass sie ihre Mutter nicht retten konnte, obwohl sie weiß, dass das eigentlich nicht ihre Aufgabe ist.
Dieser innere Konflikt Idas wird schnell deutlich und auch mehr als nachvollziehbar, leider hat mich das, was Ida dann tut, persönlich, nicht angesprochen. Sie ist unzuverlässig und unfair, tut Sachen, die sie selbst nicht versteht, enttäuscht Leute und sich selbst. Und auch das ist nichts, was ein schlechtes Buch macht - Charaktere müssen nicht sympathisch oder logisch sein, um gute Charaktere zu sein - aber durch sie als Erzählerin verlieren sie und alle anderen Charaktere an Tiefe. Ihre Schwester Tilda wird darauf reduziert die nervige, große Schwester zu sein, die sich sorgt. Jegliche Vielschichtigkeit wird Tilda dadurch genommen. Wo ich bei Tildas Konflikten und Problemen noch mitfieberte, nervte mich Ida mit ihrem Verhalten einfach nur. Dazu kommt noch eine Romanze mit dem Inseljungen Leif, der “genauso kaputt ist wie sie” inklusive toxischem Auf und Ab, das mir persönlich viel zu sehr romantisiert wurde.
Ich habe das Gefühl, dass diese Geschichte zwei Sachen gebraucht hätte, um mir besser zu gefallen:
ungefähr 100 Seiten mehr
ungefähr ein Jahr noch dazwischen
Dennoch ist es für Leute, die “22 Bahnen” gelesen haben empfehlenswert den Nachfolger zu lesen, auch wenn er für ich leider einige Schwächen hatte.
Joseph Roth - Das Spinnennetz
Nach “Windstärke 17” habe ich mich dann einem Buch gewidmet, das schon seit längerer Zeit in meinem Regal auf mich wartete. Alles, was ich bisher von Joseph Roth gelesen hatte (Hotel Savoy, Hiob, Die Rebellion) hatte mir sehr gut gefallen, deswegen freute ich mich sehr auf “Das Spinnennetz”.
Ich sparte es mir den Klappentext oder kleine Einführung zu lesen und ging komplett blind in das Buch hinein, was ich im Nachhinein etwas bereue. Ich glaube der Kontext, der dadurch gegeben wird macht das Lesen etwas einfacher. Ich habe mich ehrlich gesagt sehr gequält durch die Geschichte, obwohl mich das Thema angesprochen hat. Es geht um einen Mann, der nach dem ersten Weltkrieg desillusioniert ist vom deutschen Staat und der Gesellschaft, in der er lebt. Die neue, demokratische Republik überfordert ihn, die fortschrittliche Gesellschaft hängt ihn ab. Er ist genervt von seinem Leben in Armut, im Schatten der Reichen und Schönen. In ihm brodelt Antisemitismus und Xenophobie, die geschürt wird von politischen Agitatoren, deren Vorträge er sich immer häufiger anhört. Er träumt davon jemand zu sein, in einer Gesellschaft, die ihn vergessen hat. Also mischt er sich in das politische Leben und wird Teil einer Geheimorganisation, die den Umsturz der Regierung des Systems vor Augen hat. Das Ganze kulminiert in einem Putschversuch, der einige Parallelen zu Hitlers gescheitertem Putsch 1923 aufweist.
Es geht um Faschismus, Intrigen und Verrat und Roth schafft es hier sehr eindringlich Radikalisierung Einzelner aufzuzeigen und welche Gründe dieser zugrunde liegen.
Diese beiden Bücher habe ich Mai gelesen. Für den Juni habe ich mir erstmal keine festen Bücher vorgenommen, ich habe glaube ich nicht so mega viel Zeit zum Lesen. Aber momentan arbeite ich mich mit Norwegian Wood durch meinen ersten Murakami und bin bis jetzt sehr angetan, auch wenn ich es vermutlich eher auf deutsch lesen sollte als auf Englisch. Naja.
Vielen Dank fürs Lesen und bis nächsten Monat :) <3