Nie wieder übersetzte Bücher?
Der Trend geht zum englischen Original. Ist das das Ende deutscher Übersetzungen?
Warst du in letzter Zeit in einer Buchhandlung? Dann ist dir das hier vielleicht auch aufgefallen.
Viele Buchhandlungen haben in letzter Zeit ihre Abteilung englischsprachiger Bücher vergrößert. Meiner Erfahrung nach gab es früher vielleicht ein, manchmal zwei Regale mit englischen Büchern. Jetzt hat im August Thalia in den Münster Arkaden einen “English Bookshop” eröffnet, wo auf 110 Quadratmeter nur englische Ausgaben verkauft werden.1
All das ist kein Zufall, es ist ein Trend - und das liegt auch an TikTok.
Erstmal vorweg: Der Buchhandel in Deutschland ist nicht schlecht dran.
2023 hat der deutsche Buchhandel rund 9,7 Milliarden Euro umgesetzt, was ein Plus von 2,8 % gegenüber 2022 ist. Außerdem ist es der höchste Wert seit 2011.2 Im europäischen Vergleich wird nirgendwo mehr verkauft als im deutschen Bucheinzelhandel.3
Und das obwohl die Anzahl der Buchkäuferinnen immer weniger wird - von 36 Millionen in 2010 zu 25 Millionen in 2023. Wir haben also weniger Käuferinnen, die tendenziell mehr Bücher kaufen, die dann auch noch teurer sind.
Was wir aber auch sehen: die Verkäufe englischsprachiger Bücher steigen. 2023 ist die Zahl der Übersetzungen auf dem deutschen Buchmarkt um 6,8% gesunken.4 Und von 2020 auf 2021 sind die Verkäufe von sogenannter Exportware nach Deutschland um 27% gestiegen.5
Dieser Trend ist zu sehen in skandinavischen Ländern, den Niederlanden und auch Deutschland. Also Länder, in denen verhältnismäßig gut englisch gesprochen wird. Im YA und Fantasy Bereich ist dieser Trend besonders ausgeprägt und macht dort bis zu 60% der Umsätze aus.6 In Ländern wie Frankreich oder Italien dagegen sieht man den Trend gar nicht - da sind es teilweise nur um die 1%.
In Verlagen hat das eine Diskussion ausgelöst, ob wir es bald mit einer “englischen Monokultur” zu tun haben könnten.7 Es besteht die Sorge, dass der Markt für Übersetzungen immer geringer werden könnte - das würde im Umkehrschluss auch weniger Geld für Autor*innen und Übersetzer*innen bedeuten. Außerdem besteht die Exportware meist aus günstig gedruckten Taschenbüchern, die nicht preisgebunden und dementsprechend günstiger sind.8
Durch TikTok und Instagram wollen junge Leser*innen unbedingt die gleiche Ausgabe mit dem gleichen Cover und in englischer Sprache ihrer Lieblingsautor*innen haben und das am besten so schnell wie möglich. Verlage in Deutschland oder den Niederladen bekommen da Probleme finanziell mitzuhalten. Das könnte langfristig auch bedeuten, dass nur noch die wichtigsten neuen Bücher übersetzt werden, während “die Mittelschicht” neuer Bücher keine Übersetzung mehr bekommen würde.
Dadurch wären auch die Verdienste für die Autor*innen geringer, weil sie für übersetzte Bücher mehr Geld bekommen als für Exportware. Außerdem könnten die Verkäufe im Endeffekt geringer werden, wenn es keinen lokalen Verlag gibt, der vor Ort Marketing betreibt.
Schon jetzt versuchen auch deutsche Verlage bei Büchern beide Versionen - Original und Übersetzung - gleichzeitig auf den Markt zu bringen, um so den Hype mitzunehmen. Das hat man zuletzt bei Sally Rooney gesehen, die für “Intermezzo” nur einen globalen Veröffentlichungstermin hatte.9
Manche Leute im Verlagswesen haben da eine düstere Haltung und sagen:
“(…) wenn der Trend anhält, wird es in fünf bis zehn Jahren (in den Niederlanden) keine Übersetzungen mehr geben, weil wir es uns nicht leisten können.” (Geneviève Waldmann, CEO des niederländischen Verlags VBK)
Andere dagegen sehen die Sache etwas gelassener, wie Lisanne Mathijssen van Hoorn von HarperCollins Holland, die sagt, dass sie die düsteren Prognosen an den Anfangshype um das E-Book erinnern.
Als mögliche Lösungsansätze haben niederländische Verlage angefangen die übersetzten Versionen neuer Bücher mit dem englischen Cover und englischen Originaltitel auf den Markt zu bringen. Eine weitere Lösung wäre sonst, dass die lokalen Verlage Rechte für die englischen Ausgaben erwerben, um so eigene Versionen in englischer Sprache auf den Markt bringen zu können.
Da der Trend momentan hauptsächlich im YA und Romance Bereich zu sehen ist, könnten die Verlage auch auf andere Genres wie Thriller setzen, die von dem Hype um englische Bücher zumindest in den Niederlanden weitesgehend unberührt sind.
Manche Buchverkäufer freuen sich einfach, dass zum ersten Mal seit langer Zeit wieder junge Leute in großen Mengen in die Buchläden kommen und eine neue Generation an Lesenden heranwächst.
https://www.presseportal.de/pm/127872/5839050
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/195369/umfrage/umsaetze-im-deutschen-buchhandel-seit-2007/#:~:text=Im%20Jahr%202023%20wurden%20im,mehr%20als%20vier%20Milliarden%20Euro
https://de.statista.com/themen/1871/buchhandel/#topicOverview
https://www.boersenverein.de/markt-daten/marktforschung/wirtschaftszahlen/buchproduktion/
https://www.boersenblatt.net/news/buchhandel-news/continental-sales-gehen-auf-kosten-der-uebersetzung-310505
https://www.boersenblatt.net/news/verlage-news/steht-der-buchmarkt-am-wendepunkt-343293
https://www.boersenblatt.net/news/verlage-news/neues-lizenzmodell-regionale-ausgabe-originalsprache-323895
https://www.nytimes.com/2024/06/07/books/books-english-language-netherlands-europe.html
https://www.independent.co.uk/arts-entertainment/books/news/sally-rooney-new-novel-cover-intermezzo-b2549605.html
Toller und Interessanter Beitrag hab das auch schon bemerkt mir war aber nicht klar das es wirklich schon solche Ausmaße hat. Ich habe selber in diesem Jahr angefangen ENG zu lesen aber nur aus der Not heraus weil ich unbedingt wissen wollte wie eine Reihe weiter geht. Ich fände es tatsächlich sehr hilfreich wenn in den ENG Abteilungen der Buchhandlung nach ENG Skills sortiert wäre Einsteiger, Fortgeschrittene und Professionelle. Das gerade Junge Menschen mehr ENG lesen kann ich verstehen da ENG Bücher günstiger sind gerade ebooks gibt es da manchmal für 0,99€. Das Übersetzungen aussterben daran glaube ich nicht. Es ist ein Trend aber das heißt nicht das jeder nur noch und ausschließlich ENG lesen will.